Optische Täuschungen:

"Die Sinne trügen nicht, das Urteil trügt" (Goethe)

T%C3%A4uschung (Mehrdeutiges Sehen. Profil oder Frontalaufnahme ?: depositphotos.com)

Eine Wahrnehmungs- oder Sinnestäuschung liegt vor, wenn die gefühlte eigene (subjektive) Wahrnehmung von einer physikalisch erklärbaren und reproduzierbaren Messung bzw. Realität abweicht. Man muß sich immer bewusst sein, daß, Wahrnehmung subjektiv ist und vom Gehirn, bzw. der Bildverarbeitung dort, beeinflusst wird. Man sieht ein Bild der Welt, wie das Gehirn es "sieht", bzw. wertet, dass muss nicht der Realität entsprechen. Ein Beispiel für solche Sinnestäuschungen ist die optische Täuschung.

Optische Täuschungen bzw. das Sehen von nicht oder so nicht vorhandenen Dingen, beruhen daher auf der Unvollkommenheit unseres Sehsystems (vergleiche auch Der Sehvorgang). Ursachen sind.:

Optische Probleme des Auges im weitesten Sinne:

Hier handelt es sich um Lichtverzerrungen und Reflexe aufgrund der optisch nicht optimalen Konstruktion des Auges bzw. um physikalische Phänomene (Fata Morgana, Regenbogen, Doppelsonnen etc.). Sie können aber auch ausgelöst sein durch Alterserscheinungen (Mouches volantes) oder Erkrankungen des Auges (Grauer/Grüner Star/Hornhauttrübungen, Makulopathie). Weiterhin Phänomene wie das Nachbild (s.u.), die an der “technischen” Verarbeitung des Lichtes im Auge liegen. Alles jedenfalls Vorgänge ohne Beteiligung des eigentlichen Sehzentrums im Gehirns

Probleme in der Informationsverarbeitung im Gehirn:

Weitaus häufiger als die oben genannten “optischen Probleme” bzw. visuelle Täuschungen sind Fehler in der “Bildverarbeitung” des Sehzentrums im Gehirn. Letzeres können prinzipielle Schwachpunkte (siehe z.B. Bild unten) in der Verarbeitung oder vorübergehende Fehlfunktionen (s. Migräne) und Erkrankungen (Hirnschäden, Epilepsie) sein. Unser Gehirn - und hier insbesondere unser Sehzentrum im Hinterkopf - hat nämlich die Aufgabe aus unvollständigen Informationen vom Auge eine “innere Welt” zu konstruieren. Da dies nicht immer so ohne weiteres gelingt, greift unser Gehirn auf Erfahrungen zurück und vermutet das uns Wahrscheinlichste oder fügt sogar Dinge hinzu (bei Gesichtsausfällen z.B.), die gar nicht da sind. Insofern muss das erkannte Bild nicht immer der Wahrheit entsprechen und ist auch von der Person und ihren Seherfahrungen abhängig. Unlogisches wird da einfach ergänzt. Dies wirft auch ein großes Fragezeichen auf Zeugenaussagen, die sich daher häufig widersprechen und im Laufe der Zeit auch noch bei der gleichen Person ändern, da der Mensch dazu neigt, die fehlenden oder vergessenen Informationen zu ergänzen, damit ein für ihn logischer Zusammenhang entsteht.

Unten sieht jeder Erwachsene ein Liebespaar, weil ihm dies am naheliegendsten erscheint und in seinen Umrissen seiner Erfahrung entspricht. Kinder sehen immer die Delfine und kein Liebespaar, da in ihrer Erfahrung ein solches Bild nicht vorkommt, die Delfine schon. Unsereins muss in das Bild erst mal "hineinzoomen" um die Delfine zu entdecken

Liebespaar

  • Bei einer Illusion wird ein real vorhandenes Bild verändert wahrgenommen: Ein tatsächlich vorhandener feststehender Gegenstand scheint sich zu bewegen (s. farbiges Bild unten mit den Kreisen) oder in irregulären Mustern werden scheinbar Gesichter erkennbar (s. 2. Schwarzweißbild unten). Auch hier sind Schwachpunkte der Bildverarbeitung im Gehirn die Ursache.

  • In diese Rubrik fällt auch die Chronostasis: Wenn man nach einer Augenbewegung den Blick auf eine Uhr richtet, erscheint die erste Sekunde einen minimalen Moment länger als die folgenden. Obwohl dieser Effekt bei jeder Augenbewegung auftritt, wird er nur bei Betrachtung eines äußeren Zeitgebers, wie einer Uhr, bewusst. Sinn ist wahrscheinlich, den Eindruck etwas zu festzuhalten, um das Bild besser zu analysieren. Das Prinzip Bilder länger zu halten, wird ja auch beim Lidschlag verwendet, denn sonst müsste es 15 mal in der Minute dunkel vor Augen werden.

  • Als Pareidolie bezeichnet man die Neigung in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter (s. Bild unten) und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen. Bekannte Beispiele sind Gesichter in Wolken und Landschaften (das “Mondgesicht”). Das insbesondere Gesichter gerne gesehen werden, hat wohl mit der “Alarmfunktion” des Gehirns zu tun, dass man auch hinter Büschen und Bäumen vermeintliche “Feinde” schnell erkennen können muß. Der Steinzeitmensch in uns lässt grüßen.

    Gesicht in der Landschaft

  • Sonderfälle sind die optischen (visuellen) Halluzinationen, d.h. nur in unserer Vorstellung bestehende Bilder, die wir aber als real ansehen, aufgrund einer psychischen (z.B. Psychosen) oder organischen (z.B. Epilepsie, Hirnschaden z.B. aufgrund eine Demenz mit Lewy-Körpern) Erkrankung oder unter dem Einfluß von Medikamenten/Drogen (z.B. halluzinogene Drogen wie LSD oder im Rahmen eines alkoholische Deliriums). Am bekanntesten ist hier das, nach seinem Erstbeschreiber (1760) benannte, Charles-Bonnet-Syndrom. Hier handelt es sich um Trugwahrnehmungen aufgrund einer starken Seheinschränkung oder Erblindung des Auges. Das Gehirn bekommt keine Signale vom Auge mehr und "bildet sich daher etwas ein". Es ist ein bisschen vergleichbar den Phantomschmerzen bei einer Beinamputation, wenn einem der nicht mehr vorhandene Fuß wehtut. Diese visuellen Halluzinationen können stark beunruhigen, da scheinbar plötzlich Fremde im eigenen Garten oder Haus ihr Unwesen treiben, Straßen und Räume plötzlich verzerrt erschienen und Mauerwerk oder Zäune unvermittelt spukhaft auftauchen. Vor allem bei Kleinkindern und Kindern erfordert die Behandlung hier besonderes Einfühlungsvermögen und kindgerechte Gespräche. Nach Entfernung eines Auges (Enukleation) gibt es übrigens auch Augen-Phantomschmerzen. Sie haben mit optischen Halluzinationen nichts zu tun, können aber zu Depressionen führen.

  • Bei der Pseudohalluzination sieht man auch etwas, dass nur in unserer Vorstellung existiert, man merkt aber - im Gegensatz zur echten Halluzination -, daß das Gesehene nicht real ist.

  • Von der Halluzination zu unterscheiden ist die Wahnwahrnehmung. Dabei wird einer realen, also auch für andere genau so sichtbaren Wahrnehmung eine wahnhafte Bedeutung zugemessen. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn jemand bei Verfolgungswahn (Paranoia) fest davon überzeugt ist, dass das auf dem Boden liegende, auf ihn weisende Streichholz, ein Hinweis seiner angeblichen Verfolger ist, daß sie ihn bald holen kommen.

  • Nicht so einfach einer Rubrik zu zuordnen, da die Ursachen sehr unterschiedlich sind, sind die Mikropsie und die Makropsie, sogenannte Wahrnehmungsverzerrungen. Hier erscheinen einem Gegenstände unnatürlich verkleinert und weiter weg (Mikropsie) oder vergrößert und näher (Makropsie), als sie wirklich sind. Als Ursache kommen vor allem bestimmte Netzhauterkrankungen (Netzhautödem, Retinopathia centralis serosa, Makulopathie), Hornhautödeme und neurologische Probleme (Epilepsie, Migräne etc.) aber auch psychogene Gründe in Frage. Episoden von Mikropsie oder Makropsie treten bei 9% der Jugendlichen auf. Eine besondere Sonderform davon ist das Alice im Wunderlandsyndrom.

  • Ursächlich bisher nicht geklärt sind Déjà-vu-Erlebnisse, bei denen man 100-prozentig sicher ist etwas genau so schon mal erlebt bzw. gesehen zu haben. Die Neigung zum Déjà-vu geht vermutlich auf Aktivitäten in unseren Schläfenlappen zurück, zwei seitlich gelegenen Regionen unseres Großhirns. Dies ist aber nur eine von vielen Theorien. Unsere Schläfenlappen beherbergen Areale, die eine Rolle bei der Gedächtnisbildung spielen und Erlebtes in unseren neuronalen Speicher überführen. Der sogenannte Hippocampus etwa sortiert Sinnesreize als fremd oder vertraut. Ein ihm benachbartes Areal namens parahippocampaler Gyrus wird immer dann aktiv, wenn wir etwas uns Bekanntes erleben. In der Folge scannt unser Gehirn unsere individuelle "Erinnerungsbibliothek" – mit dem Ziel, dass wir noch mehr über die aktuelle Situation erfahren. Einer Theorie zufolge beruhen Déjà-vus darauf, dass eben jene Neurone irrtümlicherweise zu aktiv werden. Die Folge: Ein Gefühl der Vertrautheit, das ins Leere läuft. Weiteres auch im Geomagazin.

Beispiele für “optische Täuschungen”:

Ein Beispiel für ein häufiges rein optisches Problem, sind die “Fusseln” oder schwarzen Punkte, die man beim Blick gegen eine weiße Wand oder den blauen Himmel im entspannten Zustand sieht. Hierbei handelt es sich um Glaskörpertrübungen, d.h. kleine Substanzunregelmäßigkeiten des “Gelees”, der das Auge ausfüllt. Es kann aber auch ein ungleichmäßiger Tränenfilm sein

Die beliebten optischen Täuschungen in Form von Bildern, beruhen meist darauf, daß das Sehzentrum gesehene Farbkontraste überbetont oder Linien fortdenkt, um das Verständnis und Erkennen des Gesehenen zu erleichtern. Die hier verwendeten Bilder tricksen das Sehzentrum so aus. Unten sehen Sie hier 2 Beispiele:

Optische Täuschung

Aufgrund einer Wertung des Gehirns hält es die linke Linie für länger, obwohl beide Linien gleich lang sind (Müller-Lyersche Täuschung, nach den Entdeckern).

Optische Täuschung

Oben meint man entweder eine Vase oder 2 sich anlachende Gesichter zu erkennen, je nachdem worauf man sich konzentriert.

Scheinbewegung

Oben ein besonders irriterendes Beispiel für eine Scheinbewegung bzw. eine Illusion. Obwohl sich an dem Bild effektiv nichts ändert ,hat man den Eindruck, es fände eine Bewegung statt.

Sich%20ausdehnender%20Bereich%20vo%20Akiyoshi%20Kitaoka

Eine weiteres Beispiel ist die Illusion des "sich scheinbar ausdehnenden Lochs" (oben im Bild). Sie wurde vom Japaner Akiyoshi Kitaoka erdacht. Ein Effekt der von 86 Prozent aller Menschen wahrgenommen wird. Wie es genau im Gehirn dazu kommt weiß man nicht und genauso wenig warum 14% der Menschen es nicht sehen.

Zahllreiche weitere Beispiele finden sich auf: spapo.de

Hierunter ist ein eher witzig gemeinter “Sehtest” abgebildet. Können Sie den Text nicht lesen, wenn Sie direkt vor Ihrem Monitor sitzen, “sollten Sie zum Augenarzt gehen”. Das ist natürlich ironisch gemeint, denn aufgrund der gewohnten Wertung von Linien, kann das Gehirn den Text nicht als klare Buchstaben auflösen. Erst wenn man weiter weg vom Monitor geht oder die Augen zusammenkneift, kann man den Text lesen.

"Augentest"

Das Nachbild:

Ein anderes bekanntes Phänomen ist das sogenannte “Nachbild”. Als Nachbild bezeichnet man "Phantombilder", die noch für einige Sekunden anhalten, obwohl man den - in der Regel sehr hellen - Gegenstand nicht mehr anblickt oder die Augen schließt. Zugrunde liegen starke Lichtreize, die das Sehsystem überfordern bz.w. zu Gegenregulationen zwingen. Man unterscheidet positive von negativen Nachbildern. Auch wenn diese Phänomene ausschließlich im Auge selbst entstehen, handelt es sich genaugenommen nicht um eine rein optische Täuschung wie oben erwähnt, da hierfür die nervliche (neuronale) Verarbeitung in der Netzhaut verantwortlich ist.

Starrt man für einige Sekunden auf eine sehr helle und scharf begrenzte Fläche, zum Beispiel auf ein weißes Kreuz in einem schwarzen Quadrat, so “brennt” sich diese Form auf der Netzhaut und im Gehirn scheinbar ein. Es entsteht ein Nachbild des Kreuzes, dass man aber nur für wenige Sekunden im Dunkeln sieht, beispielsweise wenn man die Augen schließt. Dies nennt man positives Nachbild. Häufig erlebt man das auch beim Blick in die Sonne oder sehr helle Scheinwerfer.

Eine andere Variante der Reizverarbeitung ist das negative Nachbild. Blickt man nach dem Betrachten des im obigem Beispiel beschriebenen weißen Kreuzes auf eine gleichmäßig helle Fläche, dann erscheint das Kreuz wieder für wenige Sekunden, allerdings als Negativ, also nicht weiß, sondern schwarz und die Umgebung erscheint hell. Führt man den gleichen Versuch mit bestimmten farbigen Symbolen und Hintergründen durch, wird es noch faszinierender, da sich dann die Farben austauschen, das heißt das Kreuz nimmt die sogenanne "Komplementärfarbe" an und umgekehrt. Ein Beispiel hierfür und die Erklärung für dieses Phänomen finden Sie auf der Seite Nachbilder.

Schöne regelmäßig erneuerte Beispiele für optische Täuschungen finden sich auf der Informationsunterseite über optische Täuschungen auf der Homepage des Berufsverbandes der Augenärzte.

Ein Überblick auf verschiedenste Formen von optischen Täuschungen findet sich auch auf der folgenden Seite: www.michaelbach.de/ot/index.html (leider in englisch).

Videos auf youtube zur Thematik:

https://www.youtube.com/watch?v=TYKdolhBlDg

https://www.youtube.com/watch?v=H-kODfoijFE

http://www.youtube.com/watch?v=THn94N7Bt4s

https://www.youtube.com/watch?v=iv3NVlP9NTg

(Stand 28.03.2024)